Wersja polska
Feldbahn Belzec - Trawniki
Das ist die rätselhafteste Sache in Trawniki, der ich bisher begegnet bin. Niemand hat von einer Schmalspurbahn
in Trawniki gehört. Einige der Befragten erinnern sich an einen kurzen Abschnitt schmaler Schienen entlang der
Straße zum Fluß Wieprz neben der alten Schule. Angeblich wurde dort Holz geflößt, das hier, in Trawniki, auf
Bahnwaggons umgeladen wurde. Diese schmalen Schienen führten vom Wieprz bis zur Hauptstraße, von wo die Holzladungen
zum Bahnhof transportiert wurden. Aber dies sind wohl eher Vermutungen als Tatsachen.
Aber es gibt einen handgreiflichen Beweis für die Existenz der Schmalspurstrecke Trawniki - Belzec: den
Fahrplan
von 1915 und den Bahntarif.
Keinerlei Spuren im Gelände, weder von einem Bahndamm, einer Durchführung noch von einer Brücke, die auf die Strecke
dieser Bahn verweisen würden. Die deutsch klingenden Namen einiger Ortschaften lassen Deutsche oder Österreicher
als Investoren und Erbauer vermuten. Es gelang mir nicht, die polnischen Äquivalente der Orte Schumkasse,
Wilhelmstal, Sorge, Neu-Hanau und Spitzkehre herauszufinden. Mit Wierba ist Wierzba gemeint und mit Ruski
höchstwahrscheinlich Lopiennik Dolny.
Die Lebensdauer der Feldbahn Belzec - Trawniki (so lautete ihr offizieller Name) war, wie anzunehmen ist, nicht
sehr lang. Bereits 1916 wurde die Normalspurstrecke Rejowiec - Belzec zur Nutzung übergeben. Unsere Schmalspurlinie
verlor bald ihre Daseinsberechtigung und wurde dann wahrscheinlich schnell demontiert. Und zwar so erfolgreich,
daß keinerlei Erinnerung geblieben ist. Oder vielleicht doch? Schließlich habe ich nur die nächste Umgebung von
Trawniki erkundet. Ich möchte noch erwähnen, daß mein Vater mir einst erzählte, in der Nähe meines heutigen Gartens
(am Anschlußgleis zum Elevator, ungefähr in der Mitte zwischen dem Bahnhof und dem Elevator) habe sich ein Bahndamm
der Schmalspurbahn befunden. An die Bahn selbst konnte sich mein 1914 geborener Vater natürlich nicht mehr erinnern.
Ich hielt das damals für durchaus wahrscheinlich, ging aber davon aus, daß dies eine zur Zuckerfabrik gehörende Bahn
gewesen sein konnte, die zur Anfuhr der Zuckerrüben von den umliegenden Feldern diente. Aber vielleicht handelte es
sich dabei doch um eine Spur der geheimnisvollen Feldbahn Belzec - Trawniki?
November 2001
In der Zwischenzeit stieß ich auf Material über die Bahn, das mir ermöglichte, eine Rekonstruktion ihrer kurzen
Geschichte zu versuchen. Alles begann am 28. Juni 1915. An diesem Tag beschloß das Bahntruppen-Oberkommando der
deutschen Armee "Bug" den Bau einer Schmalspurbahn zur besseren Proviantversorgung dieser Armee, die damals in der
Gegend von Zamosc operierte. Eine weitere Bahnlinie sollte in die Gegend von Chelm führen und dort mit dem
russischen Normalspurnetz verbunden werden. Schon am nächsten Tag, dem 29. Juni 1915, begann die 7.
Eisenbahnkompanie zusammen mit 13 (!!!) anderen Kompanien mit den Bauarbeiten. Am 1. August 1915 wurde Zamosc
erreicht, und am 25. August führte die Strecke letztendlich nach Trawniki.
Bau der Bahn. Ungefähr 90 km zwischen Wolka Orlowska und Krasnystaw. Foto Carl Büscher.
Draisine auf der Bahnstrecke. Foto: Carl Büscher.
Die Bahn Trawniki -Belzec (über Zamosc) war eine der wichtigsten an der Ostfront (fast 120 km). Als einzige
Feldbahn neben der Strecke Torun (Thorn) - Raciaz diente sie nach der Verschiebung der Front dem öffentlichen
Verkehr. Es ist unklar, warum dies der Fall war.
Mit der Nutzung der Strecke wurde sofort begonnen. Den Verkehr übernahm die 101., die 102. und die 104.
Feldbahn-Betriebskompanie. Täglich wurden etwa 1000 Tonnen Fracht befördert. Man erwog sogar den Bau einer zweiten
Spur von Belzec nach Tomaszow. Aber diese Pläne wurden wegen der zu erwartenden hohen Kosten aufgegeben. Außerdem
verursachten die anhaltenden Regenfälle nach dem 20. August 1915 ein Aufweichen des Bahnkörpers, was besonders
nachts zu vielen Entgleisungen führte. Wie man sieht, ließ die geradezu im Expreßtempo erbaute Feldbahn in
technischer Hinsicht viel zu wünschen übrig. Außerdem wurde im September 1915 mit dem Bau einer für das Militär
bestimmten Normalspurbahn auf der Strecke Belzec - Zwierzyniec - Zawada - Rejowiec begonnen, die im Januar an die
Linie Chelm - Lublin angeschlossen wurde. Damit hatte die Feldbahn ihre Daseinsberechtigung verloren.
Am 20. November 1915 wurde auf der gesamten Strecke Belzec - Trawniki ein beschränkter Personenverkehr
eingeführt.
Lokomotivschuppen und Schmalspurlok auf dem Bahnhof Trawniki. Foto: Carl Büscher.
Gegen Ende 1915 wurde der weitere Bau der Normalspurbahn Belzec - Rejowiec an die österreichische Militärführung
übergeben. Von der Schmalspurbahn erwarb das Österreichisch-Ungarische Kaiserreich im Januar 1916 nur einen Teil
der Strecke Belzec - Tomaszow zusammen mit drei Lokomotiven und 30 Waggons. Somit war der deutsch-polnische Fahrplan
nur wenig länger als einen Monat gültig. Das Kriegsministerium stellte diese Strecke dem Polnischen
Militärgouvernement zur Verfügung. Dieser kurze Abschnitt sollte dem Transport landwirtschaftlicher Produkte dienen.
Hinzugefügt sei noch, daß die Bahn Belzec - Trawniki teilweise (in der Gegend von Krasnystaw) auf der Strecke einer
früher existierenden russischen Schmalspurbahn verlief, die in Bilgoraj begann und in nördlicher Richtung verlief.
Alte Postkarten. Talbrücke und Überladebahnhof in Belzec. (Danke Bernd!)
Russische Lokomotive auf dem Bahnhof in Krasnystaw. Vor 1915. Exponat des Museums in Krasnystaw.
Bahnhof in Krasnystaw. Vor 1915. Exponat des Museums in Krasnystaw.
Die Nr. 11 der Zeitschrift "Swiat kolei" ("Welt der Bahnen") enthält einen sehr umfangreichen Artikel
"Die Militär-Feldbahn Belzyce - Trawniki" von Carlheinz Becker und Helmut Pochadt, den ich allen Interessierten
sehr empfehlen möchte.
("Swiat Kolei" 11/2002)
21.01.2002
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